Ebene kristallographische Gruppe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die ebenen kristallographischen Gruppen, auch Tapetenmustergruppe, Wandmustergruppen oder Ornamentgruppen genannt, sind die Symmetriegruppen von periodischen Mustern oder Parkettierungen der euklidischen Ebene. Es gibt, bis auf affine Äquivalenz, genau 17 solche Gruppen. Ihnen entsprechen im dreidimensionalen Raum die 230 kristallographischen Raumgruppen.

Im Sinne der Gruppentheorie bestehen die Gruppen aus der Menge aller Kongruenzabbildungen, die das Muster auf sich selbst abbilden, zusammen mit der Komposition von Abbildungen als Gruppenoperation.

Symmetrieelemente

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein periodisches Muster kann Kombinationen der folgenden elementaren Symmetrieelemente aufweisen:

  1. Translation (Verschiebung)
  2. Achsenspiegelung
  3. Gleitspiegelung, also eine Kombination aus Translation und Achsenspiegelung
  4. Rotation
    • 2-zählig, also eine Drehung um 180° bzw. eine Punktspiegelung
    • 3-zählig, also eine Drehung um 120°
    • 4-zählig, also eine Drehung um 90°
    • 6-zählig, also eine Drehung um 60°

Andere Drehungen als die aufgezählten sind unmöglich. Das liegt daran, dass (abgesehen von der zweizähligen Drehung) zu jeder Symmetriegruppe eine periodische Parkettierung der Ebene mit regelmäßigen Vielecken entsprechender Zähligkeiten gehört. Und eine Parkettierung mit beispielsweise Fünfecken ist unmöglich, weil sich aufgrund der Innenwinkelsumme ein Innenwinkel von 108° ergibt, sodass eine derartige Parkettierung an den Ecken nicht aufgehen würde (108 ist kein Teiler von 360). In nichteuklidischen Geometrien hingegen sind auch Symmetriegruppen mit anderen Zähligkeiten möglich.

Eine 4-zählige Rotationssymmetrie impliziert natürlich eine 2-zählige, genauso wie eine 6-zählige sowohl eine 3-zählige als auch eine 2-zählige impliziert. Es wird normalerweise für jedes Rotationszentrum jeweils nur der höchste Wert angegeben.

Jedes periodische Muster kann erzeugt werden, indem diese Operationen auf eine beschränkte Elementarzelle immer wieder angewandt werden, bis die gesamte Ebene parkettiert ist. Per Definition enthält die Symmetriegruppe eines periodischen Musters immer zwei linear unabhängige Translationen. Dadurch ist es auch möglich, allein durch wiederholte Verschiebung einer translativen Zelle das gesamte Muster zu erzeugen. Die translative Zelle enthält dabei eine oder mehrere Kopien der elementaren Zelle.

Orbifold-Notation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eigenschaften einer Symmetriegruppe können auch durch die sogenannte Orbifold-Notation beschrieben werden.

  • Ziffern n (2, 3, 4, 6) bezeichnen ein n-zähliges Rotationszentrum.
  • Ein ∗ steht für eine Spiegelachse.
    • Ziffern, die vor einem ∗ stehen, liegen abseits der Spiegelachsen
    • Ziffern, die nach einem ∗ stehen, liegen auf den Spiegelachsen
  • Ein × steht für eine Gleitspiegelung.
  • Ein ∘ steht für keine Symmetrien, abgesehen von den Translationen.
  • Die in jeder Gruppe vorkommenden Translationen werden nicht explizit notiert.
Gruppe Orbifold-Notation Translationszelle (z. B.) Elementarzellen in minimaler Translationszelle
p1 ∘1 Parallelogramm 1
p2 2222 Parallelogramm 2
pm ** Rechteck 2
pg ×× Rechteck 2
cm ∗× Raute 2
pmm ∗2222 Rechteck 4 Rechtecke
pmg 22∗ Rechteck 4
pgg 22× Rechteck 4
cmm 2∗22 Raute 4
p4 442 Quadrat 4
p4m ∗442 Quadrat 8 rechtwinklig gleichschenklige Dreiecke
p4g 4∗2 Quadrat 8
p3 333 Raute aus zwei gleichseitigen Dreiecken 3
p3m1 ∗333 Raute aus zwei gleichseitigen Dreiecken 6 gleichseitige Dreiecke
p31m 3∗3 Raute aus zwei gleichseitigen Dreiecken 6
p6 632 Raute aus zwei gleichseitigen Dreiecken 6
p6m ∗632 Raute aus zwei gleichseitigen Dreiecken 12 rechtwinklige Dreiecke mit einem Kathetenverhältnis von 2:1

Die in den Strukturdiagrammen angegebenen Elemente sind wie folgt gekennzeichnet:

Zentrum einer zweizähligen Rotation (180°).
Zentrum einer dreizähligen Rotation (120°).
Zentrum einer vierzähligen Rotation (90°).
Zentrum einer sechszähligen Rotation (60°).
Spiegelachse.
Gleitspiegelachse.

Dabei sind unterschiedliche Äquivalenzklassen der Elemente durch unterschiedliche Farben und Drehungen gekennzeichnet.

Die gelb markierten Fläche kennzeichnet eine Elementarzelle, der gesamte abgebildete Bereich eine translative Zelle.

Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
Klassen von Symmetrieelementen in p1

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p1“ Struktur der Gruppe „p1“

  • Orbifold-Notation: ∘1.
  • Diese Gruppe besitzt nur Verschiebung als einzige Form der Symmetrie.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
4
Klassen von Symmetrieelementen in p2

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p2“ Struktur der Gruppe „p2“

  • Orbifold-Notation: 2222.
  • Diese Gruppe hat vier Klassen von Punktspiegelzentren. Diese zweizählige Drehung ist neben der Translation die einzige Symmetrieform.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
2
Klassen von Symmetrieelementen in pm

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „pm“ Struktur der Gruppe „pm“

  • Orbifold-Notation: ∗∗.
  • Diese Gruppe hat zwei zueinander parallele Spiegelachsen. Es existiert keine Rotationssymmetrie.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
2
Klassen von Symmetrieelementen in pg

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „pg“ Struktur der Gruppe „pg“

  • Orbifold-Notation: ××.
  • Diese Gruppe besitzt zwei zueinander parallele Gleitspiegelachsen. Es existiert keine Rotationssymmetrie.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 1
Klassen von Symmetrieelementen in cm

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „cm“ Struktur der Gruppe „cm“

  • Orbifold-Notation: ∗×.
  • Diese Gruppe hat parallel zueinander abwechselnd Spiegelachsen und Gleitspiegelachsen.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
4 4
Klassen von Symmetrieelementen in pmm

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „pmm“ Struktur der Gruppe „pmm“

  • Orbifold-Notation: ∗2222.
  • Diese Gruppe zeichnet sich durch aufeinander senkrecht stehende Spiegelachsen aus. An dem Schnittpunkt zweier Spiegelachsen ergeben sich zweizählige Drehzentren. Es gibt insgesamt vier Klassen von Drehzentren und vier Klassen von Spiegelachsen.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
2 1 2
Klassen von Symmetrieelementen in pmg

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „pmg“ Struktur der Gruppe „pmg“

  • Orbifold-Notation: 22∗.
  • Hier gibt es eine einzelne Klasse von Spiegelachsen sowie senkrecht dazu zwei verschiedene Klassen von Gleitspiegelachsen, auf denen sich zweizählige Drehzentren ergeben.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
2 2
Klassen von Symmetrieelementen in pgg

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „pgg“ Struktur der Gruppe „pgg“

  • Orbifold-Notation: 22×.
  • Diese Gruppe hat keine einfache Achsensymmetrie, jedoch zwei zueinander senkrechte Gleitspiegelachsen, sowie zwei Klassen von Punktspiegelzentren.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
3 2 2
Klassen von Symmetrieelementen in cmm

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „cmm“ Struktur der Gruppe „cmm“

  • Orbifold-Notation: 2∗22.
  • Diese Gruppe enthält zwei Klassen von Spiegelachsen, die aufeinander senkrecht stehen, mit zweizähligen Drehzentren an den Schnittpunkten. Eine zusätzliche Klasse von zweizähligen Drehzentren liegt abseits der Spiegelachsen. Dies führt auch zu zwei Klassen von Gleitspiegelachsen.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 2
Klassen von Symmetrieelementen in p4

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p4“ Struktur der Gruppe „p4“

  • Orbifold-Notation: 442.
  • Diese Gruppe weist keine Form von Achsensymmetrie auf. Erkennungsmerkmal sind vierzählige Rotationen, zu denen es zwei Klassen von Zentren gibt. Dazwischen ergeben sich zweizählige Drehzentren.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 2 3 1
Klassen von Symmetrieelementen in p4m

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p4m“ Struktur der Gruppe „p4m“

  • Orbifold-Notation: ∗442.
  • Diese Gruppe wird auch als p4mm bezeichnet.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 1 1 2
Klassen von Symmetrieelementen in p4g

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p4g“ Struktur der Gruppe „p4g“

  • Orbifold-Notation: 4∗2.
  • Diese Gruppe wird auch als p4gm bezeichnet.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
3
Klassen von Symmetrieelementen in p3

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p3“ Struktur der Gruppe „p3“

  • Orbifold-Notation: 333.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
3 1 1
Klassen von Symmetrieelementen in p3m1

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p3m1“ Struktur der Gruppe „p3m1“

  • Orbifold-Notation: ∗333.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
2 1 1
Klassen von Symmetrieelementen in p31m

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p31m“ Struktur der Gruppe „p31m“

  • Orbifold-Notation: 3∗3.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 1 1
Klassen von Symmetrieelementen in p6

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p6“ Struktur der Gruppe „p6“

  • Orbifold-Notation: 632.


Rotationen Achsen
2 3 4 6 Spiegel- Gleitspiegel-
1 1 1 2 2
Klassen von Symmetrieelementen in p6m

Beispielornament und Diagramm der Gruppe „p6m“ Struktur der Gruppe „p6m“

  • Orbifold-Notation: ∗632.
  • Diese Gruppe wird auch als p6mm bezeichnet.


Ornamentgruppen in der Kunst

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei zweifach periodischen Mustern aus dem Alten Ägypten wurden 12 der 17 Ornamentgruppen nachgewiesen; es fehlen die 5 Gruppen mit 3- bzw. 6-facher Rotationssymmetrie.[1] Die Arabesken in der Alhambra gelten als hervorragendes Beispiel der Verwendung von zweifach periodischen Mustern in der islamischen Kunst. Ob alle 17 Ornamentgruppen in der Alhambra vorkommen oder nicht, ist umstritten: Edith Müller[2] und Branko Grünbaum[3] sagen nein, José María Montesinos[4] und Marcus du Sautoy[5] sagen ja. Bis auf möglicherweise pm, p3 und pg wurden alle Ornamentgruppen in China verwendet.[6]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Branko Grünbaum: The Emperor's New Clothes: Full Regalia, G string, or Nothing? In: The Mathematical Intelligencer. Band 6, Nr. 4, 1984, S. 47–53, doi:10.1007/BF03026738.
  2. Edith Müller: Gruppentheoretische und strukturanalytische Untersuchungen der maurischen Ornamente aus der Alhambra in Granada. Baublatt, Rüschlikon 1944 (Zugleich: Zürich, Universität, Dissertation, 1944).
  3. Branko Grünbaum: What Symmetry Groups Are Present in the Alhambra? In: Notices of the American Mathematical Society. Band 53, Nr. 6, 2006, ISSN 0002-9920, S. 670–673, Digitalisat (PDF; 1,97 MB).
  4. José M. Montesinos: Classical Tesselations and Three-Manifolds. Springer, Berlin u. a. 1987, ISBN 3-540-15291-1.
  5. Marcus du Sautoy: Finding Moonshine. A Mathematician's Journey through Symmetry. Fourth Estate, London 2008, ISBN 978-0-00-721461-7, Kapitel 3.
  6. Doris Schattschneider: The Plane Symmetry Groups: Their Recognition and Notation. In: The American Mathematical Monthly. Band 85, Nr. 6, 1978, S. 439–450, doi:10.2307/2320063.
Commons: Symmetrie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • morenaments euc, Java Applet und Application. Behält gezeichnete Linienzüge beim Wechsel der Gruppe bei.
  • Escher Web Sketch, Java Applet. Erlaubt neben dem Freihandzeichnen auch die Benutzung einzelner anderer Objekte.