Klein Sexual Orientation Grid

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Das Klein Sexual Orientation Grid (KSOG, „Kleins Raster der sexuellen Orientierung“, kurz auch „Klein Grid“) ist ein von Fritz Klein entwickelter Fragenkatalog, um die Sexuelle Orientierung einer Person zu erfassen und zu beschreiben. Es ist eine 1985 vorgestellte Weiterentwicklung der Kinsey-Skala.

Der amerikanische Therapeut Fritz Klein schrieb vor allem zum Thema Bisexualität. Die eindimensionale bipolare Kinsey-Skala war ihm zu wenig aussagekräftig, um die Vielfalt der möglichen Erscheinungsformen der sexuellen Orientierung darzustellen. Kinsey stellte die Summe von psychologischen Reaktionen und realem Verhalten in einem einzigen Wert dar. Als Klein Menschen befragte, bemerkte er bei vielen von ihnen eine Verwirrung über ihre sexuelle Orientierung. Diese resultierte aber nicht aus dem, was sie über sich selbst dachten oder fühlten, sondern aus der Definition, welche sie für sich selbst und für andere verwendeten. Viele dachten, dass sie nur zwei Optionen zur Verfügung hätten: Heterosexualität und Homosexualität. Nur ein kleiner Prozentsatz erkannte die Möglichkeit, sich als bisexuell zu bezeichnen. Aber auch diese Dreiteilung ist eine Limitierung. Und auch die siebenteilige Kinseyskala ließ immer wieder Fragen offen. Klein griff verschiedene Anregungen Kinseys auf und konstruierte mit seinem Team das Klein Sexual Orientation Grid. Sie führten eine Studie durch und veröffentlichten beides 1985 im Journal of Homosexuality und in seinem Buch. Im Artikel ist auch eine nicht repräsentative Studie mit 384 befragten Personen, welche über ein erotisches Kontaktmagazin gewonnen wurden. Eine Analyse ergab, dass sich mit der Selbstidentifikation einer Person die Beantwortung im Raster am treffsichersten vorhersagen ließ. Das KSOG ist auch in der 1993 erschienenen zweiten Ausgabe von Kleins Buch The Bisexual Option enthalten, manchmal wird deshalb auch fälschlicherweise das Jahr der ersten Ausgabe angegeben, wo aber nur die ersten Gedanken dazu stehen.

Klein betrachtete die sexuelle Orientierung als multivariablen und über die Lebenszeit dynamischen Prozess. Im KSOG werden in 21 Feldern sieben bipolare Variablen in drei Dimensionen erfasst. Dabei wird unterschieden zwischen der Vergangenheit, dem was im letzten Jahr passierte und der Idealvorstellung, was man sich in Zukunft wünschen würde. Als Werte werden wie bei Kinsey sieben Zahlen verwendet, jedoch von 1 bis 7, im Gegensatz zu 0 bis 6 von Kinsey. Auf Asexualität wird nicht eingegangen. Das vollständig ausgefüllte Raster ergibt ein sehr individuelles Bild, welches sich auch in größeren Gruppen (beispielsweise Vorlesungsteilnehmer) kaum jemals exakt wiederholt. Ein Summenwert ist nicht vorgesehen, man kann aber für den groben Überblick einen Durchschnittswert berechnen.

Klein Sexual Orientation Grid[1]
Variablen Vergangenheit Gegenwart Idealvorstellung
Sexuelles (Selbst-)Erleben
A Sexuelle Anziehung
B Sexualverhalten
C Sexuelle Phantasien
Aspekte sexueller Orientierung im engeren Sinn
D Emotionale Vorliebe
E Soziale Vorliebe
F Lebensstil (Hetero/Homo)
Selbstidentifikation
G Selbstidentifizierung
KSOG-Werte
Wert Beschreibung für Variable A–E Beschreibung für Variable F–G
1 nur das andere Geschlecht nur heterosexuell
2 meistens das andere Geschlecht meistens heterosexuell
3 mehr das andere Geschlecht mehr heterosexuell
4 beide Geschlechter gleich hetero/schwul-lesbisch gleich
5 mehr das eigene Geschlecht mehr schwul-lesbisch
6 meistens das eigene Geschlecht meistens schwul-lesbisch
7 nur das eigene Geschlecht nur schwul-lesbisch
  • Vergangenheit: dein Leben bis vor 12 Monaten.
  • Gegenwart: die letzten 12 Monate.
  • Idealvorstellung: deine Vorhersage für die Zukunft. Was, denkst du, würdest du letztendlich mögen?
Übersetzung Original Definition / Beschreibung / Frage
A Sexuelle Anziehung Sexual Attraction Zu wem fühlst du dich sexuell hingezogen?
B Sexualverhalten Sexual Behaviour Mit welchem Geschlecht hattest du Sex?
C Sexuelle Fantasien Sexual Fantasies Um welches Geschlecht drehen sich deine sexuellen Fantasien? (Beim Masturbieren, Tagträume aus dem realen Leben entlehnt oder als reine Einbildung.)
D Emotionale Vorliebe Emotional Preference Emotionaler Einfluss, wenn nicht eingegrenzt, der physikalische Akt der Liebe. Liebst du und magst du nur Angehörige des gleichen Geschlechts, nur des anderen Geschlechts oder Angehörige beider Geschlechter?
E Soziale Vorliebe Social Preference Soziale Vorliebe ist eng verbunden mit, aber oft verschieden zur emotionalen Vorliebe. Welches Geschlecht bevorzugst du, um mit ihm deine Freizeit zu verbringen, und bei welchem Geschlecht fühlst du dich am wohlsten?
F Lebensstil Heterosexual/Homosexual Lifestyle Wie ist die sexuelle Identität der Leute, in deren Gesellschaft du dich bewegst?
G Selbstidentifizierung Self-Identification Wie schätzt du dich selbst ein?

In manchen in der Literatur zu findenden Versionen sind die Fragen F und G vertauscht.

Eine Erweiterung von Bobbi Keppel und Alan Hamilton aus dem Jahre 1994 erhebt als achte Variable auch die Politische Identität (political identity) mit denselben Werten wie F und G. Dahinter steckt, dass manche Menschen die Beziehung zum Rest der Gesellschaft anders als ihre persönliche sexuelle Identität beschreiben. Als Beispiel führen sie eine Frau an, die eine heterosexuelle sexuelle Identität hat, aber eine lesbische politische Identität.[2][3]

Dana G. Finnegan und Emily B. McNally verwenden einen Gedankenstrich (-), um den Probanden, wo es zweckmäßig erscheint, asexuelles Verhalten ausdrücken zu lassen. (Verhalten, Gefühle, Erfahrung, Fantasie)[4]

  • Fritz Klein, Barry Sepekoff, Timothy J. Wolf: Sexual orientation: A multi-variante dynamic process, Journal of Homosexuality, 11 (1/2), S. 35–49
  • Fritz Klein, Timothy J. Wolf: Two lives to lead: Bisexuality in men and women, Harrington Press, New York 1985 (auch erschienen als: Bisexualities: Theory and Research, Haworth Press, 1985)
  • Fritz Klein: The Bisexual Option. Second Edition, Haworth Press, 1993, ISBN 1-56024-380-5 (Hard); Harrington Park Press, ISBN 1-56023-033-9 (Soft) (Mit KSOG)
    • (Fred Klein: The Bisexual Option: A Concept of One Hundred Percent Intimacy, Priam Books / Arbor House, New York 1978, ISBN 0-87795-179-9 (Hard); Arbor House, New York 1979, ISBN 0-87795-244-2 (Soft) Ohne KSOG!)
  • J. D. Weinrich, P. J. Snyder, R. C. Pillard, I. Grant, D. L. Jacobson, S. R. Robinson, J. A. McCutchan: A factor analysis of the Klein Sexual Orientation Grid in two disparate samples, Archives of Sexual Behavior, Nr. 22, 1993, S. 157–168
  • Erwin J. Haeberle: Bisexualitäten - Geschichte und Dimensionen eines modernen wissenschaftlichen Problems, erschienen in:
    E. J. Haeberle und R. Gindorf: Bisexualitäten – Ideologie und Praxis des Sexualkontaktes mit beiden Geschlechtern, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1994, S. 1–39

Einzelnachweise

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  1. The Klein Sexual Orientation Grid, American Institute Of Bisexuality
  2. Bobbi Keppel, Alan Hamilton: Sexual and Affectional Orientation and Identity Scales@1@2Vorlage:Toter Link/www.marriedgay.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Bisexual Resource Center, Boston 1998; Version: 16. Dezember 2000; PDF vom 18. November 2007 bei marriedgay.org bzw.
    Bobbi Keppel, Alan Hamilton: Using the Klein Scale to Teach about Sexual Orientation, East Coast Bisexual Network, Bisexual Resource Center Juli 1994; beim Queer Resources Directory
  3. Sana Loue: Assessing race, ethnicity and gender in health, Springer, 2006, ISBN 0-387-32462-3, S. 146
  4. Dana G. Finnegan, Emily B. McNally: Counseling lesbian, gay, bisexual, and transgender substance abusers: dual identities, Routledge, 2002, ISBN 1-56023-925-5, S. 43