Linsenraum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Linsenräume sind geometrische Gebilde, die in der Mathematik vor allem in der 3-dimensionalen Topologie vorkommen. Sie sind die einfachste Klasse 3-dimensionaler geschlossener Mannigfaltigkeiten. Erstmals beschrieb sie 1908 Heinrich Tietze.[1][2] Mit den von Tietze eingeführten Linsenräumen gelang es James Waddell Alexander 1919, eine Vermutung von Henri Poincaré zu widerlegen, da sie Beispiele für nicht-homöomorphe Räume mit gleicher Fundamentalgruppe liefern. Weiterhin waren Linsenräume die ersten Beispiele homotopieäquivalenter, aber nicht homöomorpher Mannigfaltigkeiten: Kurt Reidemeister entwickelte 1935 die später nach ihm benannte Reidemeister-Torsion, um den Homöomorphietyp von Linsenräumen zu unterscheiden.[3]

Seien für natürliche Zahlen, so dass für alle . Der Linsenraum ist definiert als der Bahnenraum der durch die Formel

gegebenen freien Wirkung der zyklischen Gruppe auf der Einheitssphäre .

Die Fundamentalgruppe des Linsenraums ist unabhängig von .

Die Homologiegruppen berechnen sich wie folgt:

für , für alle anderen .

Weil die Fundamentalgruppe des Linsenraums ist, können zwei Linsenräume nur dann homotopieäquivalent sein, wenn die Zahl übereinstimmt.

Die Linsenräume und sind

  • homotopieäquivalent genau dann, wenn

    für ein .[4]
  • homöomorph genau dann, wenn es eine Permutation und ein gibt, so dass
    für .[5][6]

3-dimensionale Linsenräume

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

3-dimensionale Linsenräume sind die einzigen 3-Mannigfaltigkeiten, die eine Heegaard-Zerlegung vom Geschlecht besitzen.

Sie sind sphärische 3-Mannigfaltigkeiten: ihre universelle Überlagerung ist die 3-Sphäre. Insbesondere tragen sie eine Riemannsche Metrik konstanter positiver Schnittkrümmung.

  • Ralph Stöcker, Heiner Zieschang: Algebraische Topologie. Eine Einführung. Zweite Auflage. Mathematische Leitfäden. B. G. Teubner, Stuttgart 1994, ISBN 3-519-12226-X
  • Nikolai Saveliev: Lectures on the topology of 3-manifolds. An introduction to the Casson invariant. Second revised edition. de Gruyter Textbook. Walter de Gruyter & Co., Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025035-0
  • Claude Weber: Lens spaces among 3-manifolds and quotient surface singularities, RACSAM 112, 2018, S. 893–914.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Jean Dieudonné: A history of algebraic and differential topology, 1900–1960 (= Modern Birkhäuser Classics). Nachdruck der 1989 Auflage. Birkhäuser, Boston 2009, ISBN 978-0-8176-4906-7, S. 42, doi:10.1007/978-0-8176-4907-4.
  2. H. Tietze: Über die topologischen Invarianten mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten. In: Monatshefte für Mathematik und Physik. Band 19, Nr. 1, Dezember 1908, ISSN 0026-9255, S. 1–118, doi:10.1007/BF01736688.
  3. Kurt Reidemeister: Homotopieringe und Linsenräume. Abh. Math. Sem. Univ. Hamburg 11: 102–109 (1935)
  4. P. Olum: Mappings of manifolds and the notion of degree. In: Ann. of Math., (2) 58, 1953, S. 458–480. JSTOR:1969748
  5. E. J. Brody: The topological classification of the lens spaces. In: Ann. of Math., (2) 71, 1960, S. 163–184. JSTOR:1969884
  6. John Milnor: Whitehead torsion. In: Bull. Amer. Math. Soc., 72, 1966, S. 358–426. maths.ed.ac.uk (Memento vom 29. Mai 2016 im Internet Archive; PDF)