Otto Lubarsch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Otto Lubarsch, vor 1930

Otto Lubarsch (* 4. Januar 1860 in Berlin; † 1. April 1933 ebenda) war ein deutscher Pathologe.

Der Sohn eines jüdischen Getreidehändlers und Bankdirektors studierte Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin an der Universität Leipzig, der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Universität Jena, der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, dann wieder in Heidelberg und zuletzt an der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg. Im Sommersemester 1880 wurde er Mitglied der Burschenschaft Allemannia Heidelberg.[1] Max Weber wurde sein Leibfuchs.[2] Als er zum Sommersemester 1881 nach Jena wechselte, nahm ihn die antisemitisch gesinnte Kartellburschenschaft Teutonia Jena nur äußerst widerwillig auf. Zum Ende des Semesters legte man Lubarsch nahe, Jena wieder zu verlassen und das Band der Teutonia abzulegen, was er auch tat.[3] 1883 promovierte er in Straßburg zum Dr. med.

Zwischen 1885 und 1899 war er Assistent, zunächst am Physiologischen Institut bei Hugo Kronecker in Bern, dann an den Pathologischen Instituten in Gießen, Breslau und Zürich, wo er 1890 Privatdozent wurde. 1894 wurde er außerordentlicher Professor für Anatomie und Pathologie in Rostock.[4] 1899 übernahm er die Leitung der Pathologisch-Anatomischen Abteilung am Hygienischen Institut in Posen. Daneben war er im WS 1903/04 Lehrbeauftragter für Medizin an der Königlichen Akademie zu Posen.[5] 1905 wurde er Direktor des Instituts für Pathologie und Bakteriologie in Zwickau. Zwei Jahre später erhielt Lubarsch eine o. Professur an der neuen Medizinischen Akademie zu Düsseldorf. 1913 wechselte er auf den Lehrstuhl der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Von 1917 bis 1928 war er als Nachfolger von Johannes Orth schließlich als Leiter des von Rudolf Virchow gegründeten Pathologischen Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für Pathologie an der Charité in Berlin tätig.[6] Ebenfalls als Nachfolger von Orth übernahm er gemeinsam mit David Paul von Hansemann die Herausgabe der medizinischen Fachzeitschrift Virchows Archiv und leitete diese nach von Hansemanns Tod 1920 allein.[7] Mit Friedrich Henke (1868–1943) war er Herausgeber des Handbuchs Henke-Lubarsch Handbuch der Speziellen Pathologischen Anatomie und Histologie (12 Bde., 1924–1952). Die Planung von Henke begann schon 1912. Bis 1931 war Otto Lubarsch Herausgeber, dann bis 1955 Robert Rössle und danach Erwin Uehlinger.[8] Mit dem Veterinär Robert von Ostertag gründete er 1896 die Zeitschrift Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie der Menschen und der Tiere. Zu seinen Schülern gehörten der jüdische Bakteriologe und Pathologe Max Kuczynski sowie der spätere Nobelpreisträger Werner Forßmann.[9] Im Jahr 1932 wurde Lubarsch zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Er starb an einem Herzinfarkt.[7]

Grabstätte

Er ist auf dem Alten Garnisonfriedhof in Berlin-Mitte bestattet.

Medizinische Forschung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Karzinoid in der Wand des Dünndarms

Otto Lubarsch beschäftigte sich mit verschiedenen Fragestellungen der Anatomie, Pathologie und Histologie. Dabei fokussierte er sich auf die Untersuchung von Geschwüren und Tumoren und war 1888 nach Theodor Langhans einer der ersten, der eine detaillierte Beschreibung von Karzinoiden des Dünndarms anhand von Beschreibungen der Tumore bei zwei Patienten vorlegte.[10][11]

Nach Lubarsch sind die Lubarsch-Inseln und das Lubarsch-Pick-Syndrom benannt.

Politische Tätigkeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Protestant jüdischer Herkunft engagierte Lubarsch sich im Alldeutschen Verband und in der Deutschnationalen Volkspartei. 1926 wurde er Vorsitzender des „Reichsausschusses Deutschnationaler Hochschullehrer“. Dementsprechend profilierte Lubarsch sich als militanter Gegner der Weimarer Republik, die er als „Zeit der Parteiengewaltherrschaft“ charakterisierte.[12] Sein Schüler Forßmann beschrieb ihn als „fanatischen Monarchisten“ und „Nationalisten alldeutscher Prägung“, der sich in seiner Deutschtümelei zu geradezu lächerlicher Sprachklitterung verstieg. Dabei benannte er das Beispiel „Hauptkörperschlagaderlustseuchenerweiterung“, das Lubarsch für die Benennung eines durch die Syphilis entstandenen Aortenaneurysmas nutzte.[9] Dieser Umgang mit der deutschen Sprache wurde auch in seinem Nachruf durch Robert Rössle betont und gelobt, der Lubarschs Arbeit für Virchows Archiv beschrieb: „Vor allem kommen darin seine aus einem heißen vaterländischen Gefühl entsprungenen Bestrebungen um eine saubere deutsche Sprache zum Ausdruck.“[7] Zugleich stellte Rössle jedoch auch dar, dass „sein Kampf gegen die Fremdwörter manchem Mitarbeiter an Virchows Archiv gelegentlich Unbehagen verursachte.“[7] Zudem zeichnete sich Lubarsch nach Forßmanns Worten trotz seiner jüdischen Abstammung durch eine ausgeprägte antisemitische Hetze und Unterstützung der „antisemitischen Ziele der nationalsozialistischen Bewegung“ aus.[9] Kurt Tucholsky griff Lubarsch wegen seiner antisemitischen Ausfälle in dem 1927 veröffentlichten Gedicht Sektion an.[13]

Schriften (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Ueber dem primären Krebs des Ileum nebst Bemerkungen über das gleichzeitige Vorkommen von Krebs und Tuberculose. Virchows Archiv für pathologische Anatomie 111, 1888; S. 280–317.
  • Untersuchungen über die Ursachen der angeborenen und erworbenen Immunität (1896)
  • Zur Lehre von den Geschwülsten und Infektionskrankheiten (1899)
  • Pathologische Anatomie und Krebsforschung (1902)
  • Zur Frage der Hochschulreform (1919)
  • als Hrsg. mit Friedrich Henke: Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie. 12 Bände. Springer, Berlin 1924–1952.
  • Allgemeine und spezielle pathologische Histologie der Strahlenwirkung (1928)
  • Ein bewegtes Gelehrtenleben: Erinnerungen und Erlebnisse. Kämpfe und Gedanken. Springer, Berlin 1931 (Autobiografie).
Commons: Otto Lubarsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Wolf-Diedrich Reinbach (Hrsg.): Goldenes Buch der Burschenschaft Allemannia zu Heidelberg. Neubearbeitung zum 150. Stiftungsfest 2006. Öffentliche Fassung. Burschenschaft Allemannia, Heidelberg 2006, S. 226–227 (Festschrift zum 150. Stiftungsfest. Bd. 1)
  2. Franz Egon Rode: Die Universitätsburschenschaften im Kaiserreich. In: Christian Oppermann (Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 23, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-8253-4727-7, S. 489
  3. Franz Egon Rode: Die Universitätsburschenschaften im Kaiserreich. In: Christian Oppermann (Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 23, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-8253-4727-7, S. 343
  4. Cay-Rüdiger Prüll: Lubarsch, Otto. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 868.
  5. Christoph Schutte: Die Königliche Akademie in Posen (1903–1919) und andere kulturelle Einrichtungen im Rahmen der Politik zur „Hebung des Deutschtums“. Verlag Herder-Institut, Marburg 2008, ISBN 978-3-87969-343-6, S. 398 (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung 19)
  6. Biografie (Memento des Originals vom 20. März 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/denkmaeler.charite.de auf den Seiten der Charité. Abgerufen am 20. März 2014.
  7. a b c d Robert Rössle: Otto Lubarsch. Nachruf auf Otto Lubarsch in Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin 290 (1), 18. August 1933; S. 1–2.
  8. Götze, Springer-Verlag, Band 2, Springer 1994, S. 301
  9. a b c Werner Forßmann: Selbstversuch. Erinnerungen eines Chirurgen. Droste Verlag, Düsseldorf 1972; S. 47.
  10. Gastrointestinal Neuroendocrine Tumors (NET). Department of Surgery, University of Wisconsin School of Medicine and Public Health.
  11. Scott N. Pinchot, Kyle Holen, Rebecca S. Sippel, Herbert Chen: Carcinoid Tumors. The Oncologist, Dezember 2008 (Volltext), doi:10.1634/theoncologist.2008-0207
  12. Michael Grüttner u. a.: Die Berliner Universität zwischen den Weltkriegen 1918-1945. Berlin 2012 (= Geschichte der Universität Unter den Linden, Bd. 2), S. 151 f.
  13. Theobald Tiger: Sektion. In: Die Weltbühne vom 23. August 1927, Nr. 34, S. 304, online bei zeno.org