Raphael Keppel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Raphael Keppel (* 14. Oktober 1948[1]; † 24. November 2010 in Nausori) war ein deutscher Friedens- und Umweltaktivist. Er wurde durch eine Flugzeugentführung im Jahr 1979 bekannt.

Keppel wuchs als drittes von zehn Kindern in Halen bei Cloppenburg auf, verließ die Volksschule nach der sechsten Klasse und wurde zum Elektroschweißer ausgebildet. Nach dem Scheitern einer ersten, mit 18 Jahren geschlossenen Ehe heiratete er 1971 ein zweites Mal und zog mit seiner zweiten Frau nach Rotenburg an der Fulda. Er begann zu schreiben, fand für seine Manuskripte keinen Verlag, wurde arbeitslos und begab sich in psychotherapeutische Behandlung.[2][3]

Entführung der Lufthansamaschine auf dem Flug LH 850

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 12. September 1979 entführte Keppel eine Linienmaschine der Lufthansa auf dem Flug von Frankfurt am Main nach Köln/Bonn. Um 10.10 Uhr betrat er das Cockpit und bedrohte die Piloten, unter Führung von Flugkapitän Rainer Misar, mit einer Spielzeugwaffe. Die 120 Passagiere ließ er knapp sechs Stunden nach der Landung in Köln/Bonn aussteigen und behielt die acht Besatzungsmitglieder in seiner Gewalt. Keppel verlangte eine persönliche Unterredung mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, führte über Funk mehrere Stunden lang Verhandlungen mit Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und gab dann, nach fast zwölf Stunden, gegen 22 Uhr auf.[4][2]

Haftstrafe, Tätigkeit für die Grünen in Hessen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1980 wurde Keppel vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt; die Richter erkannten auf verminderte Schuldfähigkeit.[5] Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung schloss Keppel sich den Grünen in Hessen an. Seine Nominierung als Kandidat der Grünen für die Landtagswahl 1982 wurde vom Landeswahlleiter abgelehnt.[6] Keppel wurde Assistent der Grünen-Landtagsfraktion und gehörte dort zu den sogenannten Fundis. Er lehnte die Regierungsbeteiligung der Grünen in Hessen ab, verfasste gemeinsam mit dem Fraktionsassistenten Jan Kuhnert ein „Manifest der Fundamentalisten“[7] und trat im Oktober 1985 aus der Partei aus, blieb aber Fraktionsmitarbeiter im Landtag.[5] Als Keppel im Februar 1986 für einige Tage unauffindbar war, veröffentlichten Kuhnert und andere einen mit „Wir suchen Raphael Keppel“ betitelten Aufruf, und die Wiesbadener Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen „wegen des Verdachts der Verschleppung, erpresserischen Menschenraubs und Geiselnahme“ ein. Der Verdacht sollte sich nicht bestätigen; Keppel meldete sich schließlich brieflich aus Paraguay und kehrte am 26. Februar 1986 nach Deutschland zurück. Eine Erinnerung daran, wie er nach Paraguay gelangt war, hatte er angeblich nicht.[8]

Sonstiges, Tätigkeit als Sachbuchautor, Auswanderung nach Fidschi

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1984 gab Keppel gemeinsam mit Dieter Duhm, Rainer Langhans und Wolfgang Neuss eine Zeitschrift namens Liebe. Das Magazin für Sein & Bewußtsein heraus.[9] 1985 bildete er mit der englischen Sängerin Geraldine Blecker ein Pop-Duo, für das er auch die Texte schrieb.[10] Von 1987 bis 1989 veröffentlichte Keppel mehrere Sachbücher zur Geschichte des deutschen Fußballs. 1989 wanderte er mit seinen beiden Söhnen nach Fidschi aus.[11] Am 24. November 2010 starb er in Nausori.[12][13]

  • Entführung zur Menschlichkeit, Volksverlag, Linden 1980
  • Die humane Zukunft – und wie sie praktisch verwirklicht werden kann, Volksverlag, Linden 1980
  • Erinnerungen an ein verpfuschtes Leben, Volksverlag, Linden 1980
  • Die Folgen der Entführung, Volksverlag, Linden 1981
  • 25 Jahre Fußball-Bundesliga, Sport u. Spiel, Hürth 1988
  • Die deutsche Fußball-Oberliga 1946–1963: 2 Bde., Sport u. Spiel, Hürth 1991
  • Deutschlands Fußball-Länderspiele. Eine Dokumentation 1908–1989, Sport u. Spiel, Hürth 1994

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Franz Dormann: Die Grünen. Repräsentationspartei der Neuen Linken (Diss.). Universität Bonn 1992, S. 266.
  2. a b Gerhard Mauz: Flugschein Nr. 220 4913 648 993 1 In: Der Spiegel 18/1980, 28. April 1980. Abgerufen am 28. Mai 2012 
  3. stern 39/79, zitiert nach: Keppel, Entführung zur Menschlichkeit, Klappentext
  4. Das wäre unseriös, verehrter Gast In: Der Spiegel 38/1979, 17. September 1979. Abgerufen am 28. Mai 2012 
  5. a b Sandra Kaufmann: Der Entführer, der nur reden wollte In: Kölner Stadtanzeiger, 11. Dezember 2009. Abgerufen am 27. November 2017 
  6. Berufliches: Raphael Keppel In: Der Spiegel 21/1982, 24. Mai 1982. Abgerufen am 28. Mai 2012 
  7. Dräger, Klaus / Hülsberg, Werner: Aus für Grün? Die grüne Orientierungskrise zwischen Anpassung und Systemopposition, Frankfurt am Main: ISP-Verlag 1986, S .296
  8. Starker Abgang. Wiesbadener Staatsanwälte erforschen eine Psycho-Affäre bei den hessischen Grünen In: Der Spiegel 10/1986, 3. März 1986. Abgerufen am 28. Mai 2012 
  9. Joachim Bruhn: Bhagwans Liebesrevolution, in: Ulrike Heider (Hrsg.): Sadomasochisten, Keusche und Romantiker. Vom Mythos neuer Sinnlichkeit, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 1986, S. 174–189
  10. Oh Cherie In: Der Spiegel 6/1985, 4. Februar 1985. Abgerufen am 28. Mai 2012 
  11. High Court of Fiji: Keppel v Attorney-General of Fiji (1998) FJHC 16; HBM0099j.1998s. 13. Februar 1998, abgerufen am 28. Mai 2012.
  12. Deutscher Sportclub für Fußball-Statistiken: Mitglieder-News. 19. September 2011, abgerufen am 28. Mai 2012.
  13. Fiji Times Classifieds: Funerals: Todesanzeige In: Fiji Times, 2. Dezember 2010. Abgerufen am 6. Juni 2012